Speaker 1
Das letzte Mal war das Wahlergebnis besser.
Speaker 2
Das ist eine Wahl, an der wir zu knapsen haben werden in Deutschland.
Speaker 3
Wer regiert Deutschland?
Speaker 4
Wir haben diese Bundestagswahl zweitausendfünfundzwanzig gewonnen.
Speaker 5
In den nächsten Jahren werden wir die Union überholen.
Speaker 3
Machtwechsel.
Speaker 6
Mit Dagmar Rosenfeld von The Pioneer.
Speaker 7
Und Robin Alexander von Welt.
Speaker 8
Der Mann im Mond, der hat es schwer, den Mann versucht, ihn heut nicht mehr. Ihm schaut es bang von oben zu und fragt, wie lang hab ich noch Blut?
Speaker 6
Die Welt ist nicht genug für die wohl bald regierende schwarz rote Koalition. Deutschland wird ein Ministerium bekommen mit dem Namen Forschung, Technologie und Raumfahrt. Besetzen wird es die CSU. Im Koalitionsvertrag heißt es, Ziel ist es, dass eine deutsche Astronautin oder Astronaut zum Mond fliegt. Zum Mond schießen würde wohl so mancher der Bald Koalitionäre am liebsten den CSU Chef Markus Söder. Die Gesichter von Vertretern der SPD und CDU, während Söders Redepart bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages, sprach en der Wände. Söders Beitrag war viel bayerisches Bierzelt und wenig Berliner Republik. Das Komödiantische passte jedenfalls nicht zu einem Koalitionsvertrag, der den Titel trägt Verantwortung für Deutschland. Über Verantwortung hat einer, der wirklich etwas von Komödie versteht, nämlich Molière, einmal gesagt: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Was Schwarz Rot tun will und was nicht, um Deutschland aus dem Krisenmodus zu holen, wie viel Reformwillen Union und SPD aufbringen und wo auf große Fragen doch nur kleine Antworten gegeben werden, darum geht es in dieser Folge von Machtwechsel.
Speaker 4
Wenn Sie den Text lesen, werden Sie vieles von dem, was Sie vermutet haben, nicht finden und vieles, ah was Sie nicht vermutet haben, finden. Es wird ein anderer Text sein, jedenfalls als der, der in den letzten Tagen von vielen vermutet wurde.
Speaker 6
So die einleitenden Worte von Friedrich Merz am Mittwochnachmittag bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages. Ich vermute jetzt mal, dass das vor allem eine Botschaft an die eigene Partei gewesen ist, aus der ihm ja in den vergangenen Wochen Unzufriedenheit und Enttäuschung entgegenschlug. Die CDU lasse sich von der SPD über den Tisch ziehen, hieß es, nachdem die Papiere der Arbeitsgruppen öffentlich geworden waren. Robin, dieses Intro von März, ist das ein Zeichen, wie sehr er unter Druck aus den eigenen Reihen steht?
Speaker 7
Das würde ich auch so interpretieren. Dieser Unmut hat sich ja hochgeschaukelt. Einige Leute aus seiner Partei sind schon nicht mitgekommen bei der großen Verschuldung, bei der Reform der Schuldenbremse und hat sich dann durch diese geleakten Papiere aus den Arbeitsgruppen verstärkt, die ja tatsächlich danach aussahen, dass die SPD auf einem sehr guten ah Weg ist. Und Merz hat zum Schluss auch für Irritation gesorgt, weil er zum Beispiel am Montag alle Gremiensitzungen abgesagt hat. Also in einer Phase, wo er eigentlich sich hätte erklären müssen, hat er gesagt, dafür ist jetzt keine Zeit. Und am Dienstag hat er einen Auftritt bei der Jungen Union abgesagt, die einen Frühlingsempfang geplant hatten, wo Merz der Hauptredner gewesen wäre, hat er Dienstagmorgen abgesagt. Und dazu muss man wissen, die Junge Union war ja mal so sein Fanblock und hat jetzt ihm zu den Sondierung geschrieben, das Sondervermögen wäre ja wohl fünfhundert Milliarden für alles außer Tiernahrung. So, also den den hat er da in einen Korb gegeben. Und ich glaube, Merz hat sich entschieden, ah mit diesem fertigen Koalitionsvertrag sprechen zu wollen, also nicht in den Prozess rein zu kommunizieren, sondern der Koalitionsvertrag soll jetzt halt zeigen, wir haben uns doch nicht übern Tisch ziehen lassen.
Speaker 6
Gesprochen haben ja am Mittwochnachmittag alle vier Großkopferten, also neben Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Saskia Esken und natürlich auch Markus Söder. Und ich hab mich noch mal an die Ampel erinnert, als die ihren Koalitionsvertrag vorgestellt hat, was für eine Aufbruchsstimmung man da sehr bewusst versucht hat zu verbreiten. Man hatte eine klare Botschaft, ja fast Zukunftsvision kannst Du sagen. Der Titel des Koalitionsvertrages war mehr Fortschritt wagen und das, was wir am Mittwoch von den Vieren gesehen haben, Robin, das wirkte doch eher wie die Mühen einer Arbeitskoalition. Vielleicht auch angemessen in Zeiten wie diesen.
Speaker 7
Genau, ich glaube, der Eindruck sollte vermittelt werden, die waren ja da im Paul Löbe Haus, also diesem sehr großen Innenhof, da waren noch ganz viele Leute und haben da zugeguckt und standen ja so nebeneinander an diesen Pulten. Und ich war am Mittwochabend noch bei Sandra Meischberger und da war Dieter Nuhr und Dieter Nuhr sagte, das erinnert ihn an Kraftwerk. Also die-
Speaker 6
Wie die vier da nebeneinander aufgereiht standen.
Speaker 7
Die Roboter. (kichern) Ganz so war es natürlich nicht, aber ich glaube, dieses hier ist jetzt Arbeit angesagt und ah Pflichterfüllung oder die nennen sich ja selber Verantwortungskoalition, das sollte vermittelt werden. Und ich fand, dass die beiden Sozialdemokraten die Rolle besser durchgehalten haben als die beiden anderen, weil Söder ja anfing mit diesen Bayernwitzen und Frotzeleien und Schmunzeleien und Merz so halb darauf eingestiegen ist. Und ah das war eigentlich 'n bisschen jenseits der Rolle, weil das war ernsthafter angelegt und Esken und Klingbeil haben's besser durchgehalten.
Speaker 6
Ich will noch einmal kurz zur Ampel zurück, weil damals hat Robert Habeck gesagt bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages-Es war manchmal ganz schön anstrengend. Wir haben uns ganz schön viel zugemutet. Das müsse jedoch sein, weil die Regierung künftig auch anderen Menschen etwas zumutet. Dieses Wort Zumutung, wir verlangen auch den Bürgern etwas ab. Veränderung geht immer einher mit Zumutungen. Das ist am Mittwoch gar nicht zu spüren gewesen. Also das Wort Zumutung haben alle vier tunlichst gemieden.
Speaker 7
Die Frage führt auf einen ganz wichtigen Punkt: Nämlich schon in der Ampel war das, was Habeck sagte, ja seine Idee. Das war gar nicht die Ampelidee. Also Habeck hatte die Theorie, wenn die Politik offen kommuniziert, dann ist auch der Bürger bereit, sein Verhalten zu ändern. Der Bürger ist bereit, Einschränkungen hinzunehmen für die gute Sache. Man könne die Leute halt für dieses Große und Ganze aktivieren. Und Scholz war ja schon damals der Meinung, nein. Ja, also ich meine, die SPD hat einen Wahlkampf gemacht mit mehr für dich. Ja, so. Und, ähm, jetzt ist der Koalitionsvertrag nicht mehr für dich geworden, aber der ist auch nicht, äh, Zumutung geworden oder auch noch nicht mal: „Wir müssen jetzt alle die Ärmel hochkrempeln, oder so, sondern der ist eigentlich ein staatsfixierter Koalitionsvertrag in dem Sinne, dass der Staat an sich selber arbeiten soll, ja. Also die legen einen Schwerpunkt auf Bürokratieabbau, ähm, Staatsreform, andere Verwaltungsvorgänge, ja? Ähm, ist auch völlig richtig so, ja. Und sie glauben, dass sie der Wirtschaftimpulse setzen müssen, ja? Aber es gibt also den Staat und es gibt die Wirtschaft und der Bürger ist die große Leerstelle. Der soll sozusagen rausgelassen werden.
Speaker 6
Wir verändern das Land, aber ihr spürt nichts davon, sondern für euch gibt es mehr. Das ist schon die Botschaft dieses Koalitionsvertrages. Also ich zähle nur mal ein paar Dinge aus dem Füllhorn der Wohltaten auf: Mütterrente, Gastrosteuer, Agrardiesel, Pendlerpauschale, steuerfreie Überstundenzuschläge, E-Auto-Prämie, höherer Mindestlohn bis zweitausendsechsundzwanzig, stabiles Rentenniveau. Also das ist doch mehr für dich.
Speaker 7
Wobei, das waren ja jetzt sehr unterschiedliche Punkte. Also ich finde, zum Beispiel steuerfreie Zuschläge für Überstunden ist ja etwas, wo man sagt, ähm, wenn man was fürs Wirtschaftswachstum machen kann, ist das 'n Punkt und so. Also da würde ich noch mal abschichten unter den einzelnen Punkten, aber prinzipiell hast du recht. Also es ist auch, und das ist glaube ich-- Da liegt auch 'ne Gefahr drin, weil wenn man sich anguckt, in welche schwierigen Wasser diese Koalition absehbar kommen wird, in Sachen Weltkonjunktur oder andere Dinge, dann, äh, ich sage mal so: Wenn wir zehn harte Jahre kriegen, wo wir mehr arbeiten und weniger konsumieren, dann ist es noch gut gelaufen, so. (lacht) Und diesen Geist atmet das Papier nicht.
Speaker 6
Warum scheuen sich Union und SPD zu sagen: „Wir werden uns alle anstrengen müssen und es wird euch was kosten?"
Speaker 7
Also bei der SPD, glaube ich, ist da wirklich die Olaf-Scholz-Philosophie, der ja immer sozusagen die Theorie hatte: Die Menschen sind schon überfordert. Die Menschen waren überfordert von Corona, die Menschen waren überfordert von den Flüchtlingen, als sie kamen, die Menschen sind eigentlich auch überfordert von der Unterstützung der Ukraine und sie machen diese Dinge nur mit, wenn wir ihnen gleichzeitig garantieren, dass sich an ihren Lebensverhältnissen nichts, nichts ändert, ja. Also Scholz macht 'ne Zeitenwende und sagt sofort, aber alles andere läuft weiter. Alles andere, nirgendwo ein Abstrich, Koalitionsvertrag, alles wie geplant. So. Oder, ähm, damals auch Bundesverfassungsgericht, äh, räumt, äh, seine Schattenhaushalte ab und sofort die Botschaft: Alles muss weitergehen, ja. Also dieses eigentlich sehr skeptische Menschenbild, dass der Bürger auf jedes Ungemach, auf jede Veränderung so reagiert, dass er sich dann gleich von der Demokratie abwendet. Ich formuliere überspitzt, ja. Ich glaube, dass Merz das anders sieht, dass 'n Großteil der Union, der CDU das anders sieht. Aber man kann natürlich der SPD, die ja in der Gesellschaft immer noch eher die Leute vertritt, die es nicht so dicke haben, von denen kann man als Koalitionspartner kaum verlangen, dass sie sich in Richtung Zumutung bewegen, wenn man selber unionsseitig seine Extrawürste gebraten hat, ne. Und das ist ja, das ist der alte schwierige Versuchsaufbau, was schon in den Verhandlungen von Angela Merkel immer nicht geklappt hat. Wenn die CSU damit anfängt, einen, äh, Zusatzrentenpunkt für unsere Mütter, äh, einen Agrardiesel für unsere Bauern, eine Pendlerpauschale für unsere, die am Stadtrand wohnen oder auf'm Dorf, ja, dann ist es natürlich verdammt schwer, die SPD dazu zu kriegen, für ihre Klientel dann nicht das Gleiche zu wollen. Die es ja im Zweifel nicht so dicke hat, ja. Und diese Struktur hat hier wieder voll durchgeschlagen.
Speaker 6
Zulasten der CDU am Ende. Und jetzt lass uns doch mal schauen auf die einzelnen Punkte. Die Union gemeinsam hat eine Wirtschaftswende versprochen. Jetzt gibt es aus meiner Sicht den großen Wurf nicht. Es gibt viele kleine Stellschrauben, an denen gedreht wird. Also da ist dieser Investitionsbooster, so heißt er, eine der größeren Stellschrauben, zugestanden. Also Abschreibungen in Höhe von dreißig Prozent in diesem Jahr, im kommenden und in dem noch darauffolgenden Jahr und ab zweitausendachtundzwanzig dann den Einstieg in eine Unternehmensteuerreform. Die Körperschaftssteuer soll Jahr für Jahr um ein Prozent gesenkt werden, insgesamt dann fünf Prozentpunkte. Ist das jetzt das, was Friedrich Merz gesagt hat: „Wir müssen Deutschland wieder wettbewerbsfähig machen und unsere Wirtschaft Freiräume schaffen."
Speaker 7
Naja, der der Angang war ja Merz plädierte im Wahlkampf dafür, wir machen einfach Steuersenkung für Unternehmen, dann können die wieder mehr investieren. Also ganz alte klassische Lehre. Ja, und Scholz hat gesagt, das machen wir nicht, weil dann tun die das in amerikanische Aktien, was sie da nicht an Steuern zahlen, statt zu investieren. Wir geben einen Made in Germany Bonus für jemanden, der in Deutschland investiert, und zwar nur in Zukunftsbranchen. So.
Speaker 6
Und die werden vom Staat ja offenbar festgelegt, was eine Zukunftsbranche ist.
Speaker 7
Ja. Und jetzt haben sie diesen Ja, das ist ja eigentlich fast ein philosophische Unterschiede, die haben sie gemerged. Ja, und sie machen erst etwas, was näher bei Scholz liegt, aber nicht das Gleiche ist, was im Wahlkampf war, nämlich degressive Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen dreißig Prozent in den jetzt drei Jahren. Und das ist schon ein Wort. Und zwar nicht nur für zu definierende Branchen, sondern für alle. Wenn man das hat, danach kommt dann der Unionsplan, eine Senkung der Unternehmenssteuer, nämlich Körperschaftssteuer ein Prozentpunkt jedes Jahr startend zwanzig achtundzwanzig so. Und wenn man jetzt sagt okay, fünf Prozentpunkte darunter, das wäre ein Wort, aber es ist nicht nur auf fünf Jahre gestreckt und geht erst in drei Jahren los, sondern dazwischen ist ja eine Bundestagswahl. Ja, (kichern) also die die Union will dem vorbauen, indem in dem Vertrag steht beide Entscheidungen werden in einem Gesetzgebungsverfahren gemeinsam abgeschlossen. Also man will das verklammern, aber natürlich, wenn ab zwanzig neunundzwanzig Rot Rot Grün regiert, dann kann man das natürlich vergessen.
Speaker 6
Wenn wir beim Thema Steuer sind, es wurde ja auch eine Entlastung der mittleren und unteren Einkommen versprochen. Die SPD wollte das gegenfinanzieren durch höhere Steuern für die sogenannten Reichen, also einen höheren Spitzensteuersatz und eine höhere Reichensteuer. Steuererhöhung gibt es nun nicht, aber auch zu Steuerentlastung steht jetzt nur ein Satz, der lautet, In der Mitte der Legislaturperiode werden wir untere und mittlere Einkommen entlasten. Weitere Details stehen da nicht.
Speaker 7
Ja, Du sagst es und danach kommt dann, dass das Kindergeld auf die Höhe der Kinderfreibeträge angehoben werden soll. Ja, und auch da steht kein Datum. Also auch da vielleicht könnte man daraus eine innerliche Klammer machen. Ja, ist eine reine Absichtserklärung.
Speaker 6
Konkret wird es dann beim Thema Migration, da hatte die Union ja auch eine Wende versprochen. Und das, was da im Koalitionsvertrag steht, das ist tatsächlich eine andere Migrationspolitik, die Schwarz Rot machen will. Robin, das beginnt mit den Zurückweisungen auch von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen. Es geht weiter mit der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte. Die sicheren Herkunftsstaaten sollen ausgeweitet werden. Abschiebeflüge nach Afghanistan und Syrien soll es geben. Dort will man mit Gefährdern anfangen. Also da ist schon jede Menge, was unter einer Ampel nicht möglich gewesen ist.
Speaker 7
Nicht nur unter einer Ampel nicht möglich gewesen ist, sondern auch unter den vorhergegangenen großen Koalitionen.
Speaker 6
Da hab ich einen O-Ton von Markus Söder, der das noch mal deutlich macht. Lass uns mal kurz reinhören. Das ist wieder ein Zurück wie vor zwanzig fünfzehn. Diese vielen Jahre der Unsicherheit, die sind vorbei. Zurück vor zwanzig fünfzehn. Ist das so, Robin?
Speaker 7
Das ist schwierig zu sagen, weil zwanzig fünfzehn war ja egal ob man es eine Grenzöffnung oder eine Offenhaltung der Grenzen durch Angela Merkel nennt, war ja keine Rechtsänderung. Merkel hat ja keine Gesetze geändert, ja. So, worauf Söder anspielt ist, dass sie jetzt im Koalitionsvertrag erste Mal stehen haben, dass Zurückweisungen gemacht werden. Und Zurückweisungen sind ja das Triggerwort der deutschen Migrationspolitik seit zehn Jahren, weil zwanzig fünfzehn schon eine Woche, nachdem die ganzen Syrer von der ungarischen Autobahn gekommen sind, wurde ja im Innenministerium beraten, machen wir Zurückweisung oder nicht. Ich hab 'n ganzes Buch darüber geschrieben und darüber ist die CSU ja nie hinweggekommen, ja. Also schon zwanzig fünfzehn war die Frage Zurückweisung ja oder nein, die Gretchenfrage. Und zwanzig achtzehn mit dem Innenminister Horst Seehofer war's erst noch einmal, wo die Union fast die Fraktionsgemeinschaft zerlegt hat, weil der Innenminister Seehofer zurückweisen wollte und die Kanzlerin Merkel nicht zurückweisen wollte. So, und jetzt haben wir sozusagen das zweite Rückspiel. Und weil wir jetzt noch nicht wissen, wer Minister wird, aber das Innenministerium geht an die CSU, das steht in diesem Vertrag. Und man darf begründet spekulieren, dass der Innenminister Alexander Dobrindt heißen wird. Also der Mann, der zwanzig fünfzehn an der Seite von Horst Seehofer focht und zwanzig achtzehn auch. So, und wenn der jetzt im Geiste Seehofers die Zurückweisung macht und man hat keine Kanzlerin Merkel mehr, sondern hat man einen Kanzler Merz, dann ist es doch eine ganz andere Geschichte.
Speaker 6
Aber man hat im Koalitionsvertrag stehen Zurückweisung von Asylsuchenden in Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Und diese Abstimmung gibt es zumindest derzeit noch nicht.
Speaker 7
Na ja, seit diese neue schwarz rote Koalition im Wachsen ist, gibt es diesen Streit Worte, ja, dass die SPD sagt, Zurückweisung in Abstimmung heißt, die müssen einverstanden sein und die Union sagt, nein, das heißt nur, wir müssen denen vorher Bescheid sagen. So, und wenn Du in in die Wortbedeutung gehst, hat natürlich die SPD recht, weil in Abstimmung tun, wenn Du den Urlaubsplan in Abstimmung mit den Kolleginnen machst, dann wirst Du die schon gefragt haben, wann sie in Urlaub fahren wollen und es denen nicht nur per E-Mail geschickt haben. Aber diesen Streit, was heißt in Abstimmung,Den löst ja Friedrich Merz so auf, dass er sagt, das wird gar nicht das Problem sein, weil ich habe diese europäischen Gespräche schon geführt. Und da wird man natürlich sagen: „Das wollen wir mal sehen." Aber Friedrich Merz muss jetzt zeigen, dass er das kann auf europäischer Ebene. Aber die Kombination, ein Kanzler, der das will, und ein Innenminister, der Alexander Dobrindt ist und ein SPD-Koalitionspartner, der die Zurückweisung unterschrieben hat im Koalitionsvertrag, dass diese Kombination das Potenzial hat, die Situation an der Grenze substanziell zu verändern, das würde ich schon sagen.
Speaker 6
Substanzielle Veränderung wird es aber in zwei anderen großen Themenfeldern, die einen immensen Reformbedarf haben und nicht erst seit heute, sondern seit Jahren, wird es nicht geben. Und ich rede von Rente und dem Bereich Gesundheit. Und gerade bei der Rente, da haben jetzt noch mal Anfang der Woche 28 renommierte Ökonomen einen öffentlichen Appell an SPD und Union gerichtet, dort wirklich hart ranzugehen. Das heißt, die Rente mit 63 abzuschaffen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, kein Rentenniveau festzuschreiben und vor allem auch keine Mütterrente einzuführen. Allein der Appell hat nichts genützt, denn es bleiben die Rente mit 63, es wird nicht ans Renteneintrittsalter rangegangen. Das Rentenniveau wird auf 48% bis zum Jahr 2031 festgeschrieben und alles weitere soll dann eine Kommission bearbeiten.
Speaker 7
Du hast vollkommen recht. Die großen Fragen, die die Demografie aufwirft, also dass wir älter werden und dass nicht so viele Kinder nachkommen, stellt umlagefinanzierte Systeme vor Probleme, was jetzt auch nicht erst seit gestern bekannt ist. Darauf gibt dieser Koalitionsvertrag die Antwort: „Wir setzen Kommissionen ein." Und jetzt kann man das böswillig interpretieren oder etwas positiver. Es gibt den Hörerinnen und Hörern beide Möglichkeiten zur Auswahl. Die böswillige Interpretation ist, in der Flügelzange CSU, SPD war da für die Reformwilligen nichts zu machen. Klammer auf: Das hätte bei Schwarz-Grün sicherlich anders ausgesehen. Klammer zu. Und die etwas gutwilligere Interpretation ist, dass man sieht, man kommt jetzt in der spezifischen Situation, in der man ist, nicht weiter, legt aber sozusagen oder zeichnet einen Pfad vor, weil die großen Reformen der nuller Jahre, also der Schröder-Jahre, sind ja auch mit Rürup-Kommission, Herzog-Kommission und so weiter. Hartz-Kommission. Hartz-Kommission, genau. Also dass man sozusagen sagt, man lässt dann noch mal qualifiziert vordenken und dann in ein, zwei Jahren kommt man über dieses Vordenken dann doch noch ins operative Handeln. Und das wäre mit diesen Kommissionen angelegt.
Speaker 6
Einen Pfad, den die Ampel betreten wollte und es nicht geschafft hat, den wird auch Schwarz-Rot nicht betreten. Es geht das Klimageld. Das wird nicht kommen.
Speaker 7
Ja, das ist sehr interessant. Überhaupt Klima hatte ja noch in dem ersten Sondierungspapier gar keine Rolle gespielt, wo man dachte: „Oh je, oh je." Und jetzt, dieser Koalitionsvertrag hält an den Klimazielen fest, also auch an 2045, also fünf Jahre früher als die EU-Klimaziele. Aber zum Thema CO₂-Bepreisung steht da: „Einnahmen aus CO₂-Bepreisung geben wir zurück durch spürbare Entlastung beim Strompreis und durch die Förderung von Investitionen in die Klimaneutralität." Und das ist eigentlich wieder Robert Habeck, weil so hat ja schon Robert Habeck begründet, dass er das versprochene Klimageld nicht auszahlt, weil das, Habeck hat immer gesagt, die EEG-Umlage ist schon die Entlastung und so weiter. Und noch mal das Problem zu erläutern. Also der CO₂-Preis steigt. Das heißt, tanken wir teurer, heizen wir teurer und so weiter. Ist auch intendiert. Das ist der Sinn davon. Es soll eine Lenkungswirkung entfalten, dass du weniger Auto fährst und weniger heizt und so weiter. Um aber das nicht als einseitige Bereicherung des Staates zu machen, war mal ursprünglich angeplant, diese Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung halt als Klimageld zurückzuzahlen, und zwar pro Nase. Deshalb war ich ja immer so erstaunt, dass die Grünen einen so ordnungspolitisch sauberen Vorschlag in die Debatte einbringen, ja. Und dann kannst du natürlich, wenn du ganz viel Spaß hast, hinterher sogar noch was raus. So, und das hatte die Ampel nie aufgestellt und dann gesagt: „Wir haben leider keinen Mechanismus, dass wir euch das zurücküberweisen können und Christian Lindners Finanzministerium hat vier Jahre gebraucht, das zu erarbeiten. Jetzt steht es aber. Jetzt wäre es also technisch möglich, dass der Staat ein Klimageld überweist. Jetzt wollen sie aber nicht mehr. Und das gibt doch ein bisschen zu Sorge Anlass, weil der CO₂-Preis steigt. Das ist so angelegt und der CO₂-Preis wird halt auch – und das ist europäisches Recht – ausgeweitet auf Gebäude und anderes. Und ich sehe da die nächste Heizgesetzdebatte kommen. Da wird nämlich ein großer Aufstand kommen: Warum macht die Politik unseren Alltag so teuer? Und das Klimageld wäre eine Antwort gewesen. Und die Debatte kommt und die Antwort von Schwarzrot sehe ich in diesem Vertrag nicht.
Speaker 6
Worauf wir aber eine Antwort finden in diesem Vertrag, ist, welche Ministerien welche Partei bekommt. Und da ist schon mal sehr auffällig, dass die SPD, obwohl sie der deutlich kleinere Koalitionspartner ist, mit 16,5% sieben Ministerien erhält, und zwar ganz schön gewichtige sind darunter, unter anderem Finanzen.Und Arbeit und Soziales und Verteidigung. Und gerade bei Arbeit und Soziales, da haben wir ja auch einen Punkt, der im Wahlkampf groß gemacht worden ist und sich auch im Koalitionsvertrag wiederfindet, nämlich die Abschaffung des Bürgergeldes. Es soll eine neue Grundsicherung kommen. Und das heißt, ein SPD-Arbeitsminister muss die Reform rückgängig machen, für die die SPD über Jahre gekämpft hat und umgesetzt hat.
Speaker 7
Na ja, andererseits könnte man ja sagen, die SPD ist nicht gut damit gefahren, von der Partei der Arbeit zu der Partei der Transferempfänger zu werden, um das mal böse polemisch zuzuspitzen, und aus dem Loch könnten sie dann ja wieder rauskrabbeln.
Speaker 6
Womit es aber unwahrscheinlich ist – jetzt lasst uns einmal kurz spekulieren, was wir sonst in diesem Podcast nie tun –, dass Hubertus Heil erneut Arbeitsminister wird. Dass der die Reform abräumt, die er so lange verteidigt hat: schwer vorstellbar.
Speaker 7
Only Nixon could go to China.
Speaker 6
Wow.
Speaker 7
Only Merz could go to the Saskia Esken-Sondervermögen. (lacht)
Speaker 6
Okay, und only Hubertus Heil can go to neue Grundsicherung. Ich bin gespannt, lieber Robin. Aber was damit auch klar ist, dass das Superministerium, was sich die CDU, vor allem Carsten Linnemann, mal gewünscht hat, nämlich ein Ministerium, wo Arbeit und Wirtschaft zusammengehen, das wird es nicht geben.
Speaker 7
Ja, also wir kriegen wieder ein, äh, klassisches Wirtschaftsministerium, wobei es ist immerhin jetzt Wirtschaft und Energie, ja, weil diese Idee, die wir in den letzten vier Jahren hatten, Wirtschaft und Klimaschutz, und das ist auch der Vizekanzler und der hat auch den KTF und so weiter, das war 'ne exklusive Habeck-Idee. Jetzt wird es wieder schmaler werden, wie es aber ja in der bundesrepublikanischen Geschichte oft war. Also das Wirtschaftsministerium war ja oft ein Stiefkind.
Speaker 6
Was sich abzeichnet an den Zuschnitten, ist, dass Friedrich Merz ein Bundeskanzler wird, der sehr außenpolitisch agieren wird.
Speaker 7
Da hast du recht. Also in dem Koalitionsvertrag steht, dass ein nationaler Sicherheitsrat eingeführt wird, also auch etwas, was die Ampel mal wollte, aber nicht aufgestellt hat, und dass dieser nationale Sicherheitsrat im Kanzleramt ist, ne, also nicht im Auswärtigen Amt. Und wenn man sich jetzt anguckt, wie die Weltlage ist, wie Merz schon als werdender Kanzler agiert, weil er ist ja jetzt schon in Paris und in Brüssel und so weiter, und wenn man dann bedenkt, er ist im Kanzleramt, er hat den Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt und das Auswärtige Amt wird mit einem CDU-Menschen besetzt, ja, dann ist das wirklich etwas Neues, nämlich dass da die Außenpolitik aus einem Guss gemacht wird. Wobei man sich ja schon fragt, eine Aufwertung des Auswärtigen Amtes geht damit wohl sicherlich nicht einher. Und auch, ähm, es ist wieder die Möglichkeit ausgeschlagen worden, das Auswärtige Amt mit dem Entwicklungsministerium zu fusionieren, um eins einzusparen, was ja wie schon so oft im Raum stand, aber dazu fehlte die Kraft. Stattdessen gibt es ein Ministerium mehr.
Speaker 6
Genau, Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Und da sind wir auch bei einem ganz wichtigen Thema, was Verwaltung und Entbürokratisierung angeht.
Speaker 7
Ja, das zieht sich wie so'n roter Faden durch den Koalitionsvertrag. Es ist auch, äh, viel Ambitioniertes und Richtiges drin. Aber natürlich muss man schon sagen, da ist 'ne gewisse Unwucht, weil man sagt, alle sollen schlanker werden und macht dafür gleich erst mal 'n Ministerium mehr, (lacht) macht die, äh, One-in-two-out-Regelung für alles, außer für das ei-- ein, für ein Haus mehr, wo dann keiner out muss. Also da ist etwas gewachsen, was eigentlich hätte schmaler werden sollen.
Speaker 6
Gewachsen ist auch etwas anderes und man könnte das Gefühl haben, Markus Söder hat Friedrich Merz über den Tisch gezogen, Robin. Es geht um die parlamentarischen Staatssekretäre.
Speaker 7
Ja, jetzt kommt für die Freunde von Machtwechsel der Spezialisten Content. Sie wissen ja, es gibt Staatssekretäre und parlamentarische Staatssekretäre und dieser Posten des Parlamentarischen Staatssekretärs ist sehr beliebt, weil man sein Abgeordnetengehalt damit verdoppeln kann.
Speaker 6
Und natürlich auch mehr gestalten kann, Robin. So viel muss man doch auch noch dazu sagen.
Speaker 7
Na ja, manchmal-- Also da kommt es darauf an, also, äh, Friedrich Merz oder Markus Söder möchte Sie zum parlamentarischen Staatssekretär machen oder, äh, Lars Klingbeil. Dann achten Sie darauf, ob Sie in der Berichtslinie Ihres Ministeriums stehen. Das ist schlachtentscheidend. Wenn Sie mitzeichnen, dann dürfen Sie auch mitreden. Wenn Sie nicht in der Mitzeichnung sind, dann, äh, dürfen sie die Termine machen, auf die ihr Minister keinen Bock hat. (lacht) So, aber worauf wir eigentlich rauswollten: Ähm, wer wird parlamentarischer Staatssekretär? Und da ist es sehr interessant, dass sich in den bisherigen Koalitionsverträgen von großen Koalitionen immer der Satz fand, ich zitiere: „Das bemisst sich nach den Kräfteverhältnissen der Parteien." Zitat Ende. Und dieser Satz fehlt im aktuellen Koalitionsvertrag, wie schon Informanten von uns aufgefallen ist. Und das bedeutet, dass der jeweilige Minister sich aussuchen darf, wer parlamentarischer Staatssekretär werden darf. So, und wenn wir jetzt drei CSU-Minister haben, dann können die sich drei parlamentarische Staatssekretäre im Innenministerium aussuchen, zwei parlamentarische Staatssekretäre im Bildungsministerium, zwei parlamentarische Staatssekretäre im Ministerium für Raumfahrt und haben noch einen Staatsminister im Auswärtigen Amt ausgehandelt, der extra im Vertrag steht. Und wenn du jetzt zusammenzählst, dann kommst du auf acht parlamentarische Staatssekretäre der CSU und in früheren GroKos hatten die immer nur drei. So, und dass dieser Passus fehlt, nämlich nach dem Kräfteverhältnis der Parteien, da, glaube ich, hat Markus Söder Friedrich Merz ein bisschen ausgetrickst.
Speaker 6
Robin, wir haben jetzt so viel aus diesem Koalitionsvertrag zitiert. Hast du 'n Lieblingssatz in diesem Vertrag?
Speaker 7
Ich habe einen Lieblingssatz. Das ist Zeile 1866 und diese Zeile lautet: "Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen." Zitat Ende. Und das ist doch eine Maxime, hätte ich mich mein ganzes Leben daran gehalten, mir wäre einiges erspart geblieben. Dagmar, was ist denn dein Lieblingssatz aus dem Koalitionsvertrag?
Speaker 6
Das ist der Titel dieses Koalitionsvertrages, Verantwortung für Deutschland. Wenn eine Regierung etwas hat, dann ist es Verantwortung für Deutschland. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, aber vielleicht leben wir in Zeiten, Robin, in denen man Selbstverständlichkeiten auch noch mal betonen muss.
Speaker 7
Und wir betonen, dass wir etwas tun, was selbstverständlich sein sollte. Wir machen nämlich Ferien. Die Karwoche und die Osterwoche gibt es keinen Machtwechsel-Podcast.
Speaker 6
Aber was es jetzt auf jeden Fall noch gibt, ist das letzte Wort und das gehört wie immer dir, lieber Robin.
Speaker 7
Auf Wiederhören.
Speaker 9
(Musik)